Digitale Bildbearbeitung
Seit der Digitalisierung der Fotografie ist die Verführung groß, Fotos nachträglich zu bearbeiten. Photoshop ist als Synonym dafür in aller Munde. Leider wird die Bildbearbeitung für meinen Geschmack oft übertrieben eingesetzt. Das Fotografierte wird so stark verfremdet, dass es seines ursprünglichen Wesens beraubt wird; sei es durch zu starke Retusche, wie sie uns im Zeitungskiosk von unzähligen Mode-, Frauen- und TV-Zeitschriften entgegen springt; sei es durch Multishot-Techniken (wie HDR), die Landschaften nicht irdisch, sondern wie auf dem fremden Planeten eines Science-Fiction-Filmes wirken lassen. Im Rahmen künstlerischer Freiheit ist dies natürlich durchaus legitim, aber meiner persönlichen Definition von Fotografie entspricht es nicht.
Keine Frage, die sogenannten Rohdaten eines Kamera-Sensors sind nicht das, was wir unter einem Bild verstehen, und sie müssen in jedem Fall aufbereitet werden. Diese Aufbereitung findet in jeder digitalen Kamera entweder automatisch statt – oder der Fotograf übernimmt sie am Computer. (Aber selbst wenn man sich ein Roh-Foto auf dem Computer-Monitor anzeigen lässt, ist dies schon mit einer Aufbereitung durch den Rohdaten-Konverter verbunden und es ist nicht etwa das Roh-Foto selbst!)
Ich vergleiche die Aufbereitung der Rohdaten am Computer gern mit der Dunkelkammerarbeit in der alten, analog funktionierenden Zeit. Genau wie damals überlasse ich diese grundsätzliche Aufbereitung ungern Maschinen oder Computer-Algorithmen, sondern greife an dieser Stelle lieber selbst ein. Nur so kann ich versuchen, das Foto dem anzunähern, was meinem subjektiven Eindruck der Situation zum Zeitpunkt der Verschluss-Auslösung möglichst nahekommt.
Diese Eingriffe sind meist subtiler Natur und erfolgen nur nach Bedarf: Bildbeschnitt und -ausrichtung; Korrektur von Objektivfehlern wie Verzeichnung, Vignettierung oder Farbsäumen; geringfügige Tonwert- und Farb-Korrekturen; leichte Grundschärfung und gegebenenfalls Rauschunterdrückung.
Theoretisch könnte ich natürlich die Grundeinstellungen meiner Kameras entsprechend anpassen, aber meist benötigt jedes Foto individuelle Korrekturen. Auch bleibt der technische Spielraum für Korrekturen größer, wenn ich diese Arbeiten später mit den Rohdaten am Computer erledige. Außerdem kann ich mich nachträglich viel besser sukzessive an das optimale Ergebnis herantasten. Wenn auch der Zeitaufwand für dieses Vorgehen höher ist, wird er durch die durchgängig besseren Ergebnisse gerechtfertigt.
Über die Rohdaten-„Entwicklung“ hinausgehende Maßnahmen versuche ich zu vermeiden. Für meinen Geschmack ist die Grenze zur Manipulation zu schnell überschritten. Die Werkzeuge für derartige Nachbearbeitungen, Retuschen oder Collagen schlummern auf meinem PC, bleiben aber weitgehend ungenutzt.
Starke nachträgliche Veränderungen durch Bildbearbeitung lehne ich also ab und bitte meine „Models“ darum, dass Make-up, Frisuren – inkl. (Drei-Tage-) Bärte bei Männern! – und Kleidung von vornherein zur gewünschten Darstellung verhelfen.
Keine Regel ohne Ausnahme: Kleine, temporäre Verletzungen oder Hautunreinheiten entferne ich auf Wunsch natürlich, denn diese sind mit Veröffentlichung des fertigen Fotos oft auch im Original – also dem Gesicht der oder des Fotografierten – verheilt oder nicht mehr vorhanden. Die Retusche dauerhafter „Mängel“, wie Falten oder Muttermale, verweigere ich – ganz besonders, wenn es um eine journalistische Veröffentlichung geht.