Fotografieren für Fortgeschrittene - Böhmke Fotografie

Böhmke Fotografie
Direkt zum Seiteninhalt

Fotografieren für Fortgeschrittene

Geht es im Artikel Grundlagen um Bücher, die beim Erlernen des fotografischen Rüstzeugs in der Breite helfen sollen, werden hier nun Bücher vorgestellt, die mehr in die Tiefe gehen; in denen es um das Wesen der Fotografie geht, um Bildgestaltung, aber auch um die Entwicklung der eigenen Kreativität und den Weg zum eigenen Ausdruck.
Für das Studium dieser Bücher ist es also auf jeden Fall hilfreich, schon Erfahrungen im Fotografieren gesammelt zu haben. Grundlegende Themen, wie  die Elemente der manuellen Belichtungseinstellung oder die  Auswirkungen verschiedener Objektive bzw. deren Brennweiten  auf das Bild sollten bekannt und vertraut sein. Aber auch der Anfänger kann in diesen Empfehlungen natürlich viele wertvolle Hilfen und Informationen finden.



Achtsam fotografieren
Durch Fotografie zur inneren Ruhe finden
Sven Barnow
236 Seiten
dpunkt, 2022
ISBN: 978-3-86490-894-1
36,90 EUR (Print)
32,99 EUR (E-Book)


Kurz vor diesem Buch arbeitete ich Landschaftsfotos nach Plan von Salke Hartung durch (hier meine Rezension). Dort wird eine bis ins Detail durchgeplante Fotografie beschrieben – hier bei Sven Barnow nun das krasse Gegenteil: Weg von der Planung, hin zum Moment. Weg von der Perfektion, hin zum „So, wie es hier und jetzt gerade ist“ – mit allen Unzulänglichkeiten und Fehlern. Weg von der (Be-) Wertung, hin zur wertfreien Betrachtung. Hin zum achtsamen Fotografieren.
Das Buch ist keines, das lehrt, mit umfangreicher Ausrüstung und Fokussierung auf Technik perfektere oder schönere Fotos zu erstellen. Es versucht vielmehr, Leserin und Leser über die Auseinandersetzung mit sich selbst dazu anzuregen, zu authentischen Fotos zu kommen, die einerseits wertfrei den Augenblick darstellen, andererseits aber auch Gefühle transportieren, Geschichten erzählen.
Dabei geht es Barnow nicht nur um das Endprodukt Foto, sondern um die Art und Weise des Entstehens, also den Weg dorthin; aber auch umgekehrt darum, wie sich das Fotografieren auf den Fotografen auswirkt – ihm hilft, mehr über sich selbst zu erfahren und sich selbst weiter zu entwickeln.
Im ersten Teil des Buches führt er in die Theorie der Achtsamkeit ein. Achtsamkeit scheint auf den ersten Blick ein Modetrend zu sein, denn in den vergangenen rund zwanzig Jahren verbreitete sich der Begriff fast inflationär.   Jedoch beschäftigten sich schon vor mehr als zweitausend Jahren die Menschen mit dem, was der moderne Begriff der Achtsamkeit beinhaltet – im europäischen Raum die Stoiker des alten Roms, die Barnow mehrfach gut passend zitiert.
Hinweis
Falls Sie ein wenig mehr über die Stoiker erfahren möchten, kann ich Ihnen das folgende Büchlein empfehlen, das ich zufällig selbst vor einigen Monaten las: Stoische Philosophie – Eine Einführung von Anna Schriefl (Reclam, 2019), als Print oder E-Book u. a. bei Thalia oder Amazon erhältlich. Eine kurze Übersicht bietet auch der Wikipedia-Artikel Stoa.
Der erste Teil des Buches ist noch recht sparsam bebildert, aber auch schon hier sind alle Fotos kommentiert. Im zweiten Teil des Buches geht es dann darum, was achtsame Fotografie in der Praxis bedeutet. Dafür werden u. a. aus den Bereichen Porträt, Straßenfotografie und Reisefotografie viele Beispiel-Fotos und auch kleine Reportagen vorgestellt und kommentiert. Es sind wunderbare, sehr persönliche, eigene Fotos sowie, teils durch spannende Interviews begleitet, Fotos anderer Fotografen und Fotografinnen. Aus allen Fotos spricht ein tiefes  Einfühlungsvermögen des jeweiligen Fotografen in die Situation und vor allen Dingen die abgebildeten Menschen.
Das Layout des Buches ist seinem Inhalt gut angepasst: angenehm lesbare Schriften und gute Proportionen zwischen den verschiedenen Blöcken mit viel Weißraum für die nötige Ruhe, um wirklich in Texte und Fotos eintauchen zu können.
Fazit
Achtsam fotografieren ist ein schön gestaltetes, inhaltlich gutes Buch über eine ganz besondere Sicht auf die Fotografie. Jenseits von Blende und Verschlusszeit, Planung und Zielerfüllung, werden Leserinnen und Leser dazu ermutigt, sich beim Fotografieren unvoreingenommen auf das Hier und Jetzt einzulassen und tief in den Moment einzutauchen. Als Belohnung winken neben einzigartigen Fotos Zufriedenheit und innere Ruhe.
 
04.04.2023


Der abstrakte Bick
Kompositionsschule für eine künstlerische Fotografie
Torsten Andreas Hoffmann
310 Seiten, in Farbe, Festeinband
dpunkt, 2016
ISBN Print: 978-3-86490-338-0
39,90 EUR (Print)
31,99 EUR (E-Book)



Fotografie als Meditation
Eine Reise zur Quelle der Kreativität
Torsten Andreas Hoffmann
260 Seiten, in Farbe, fester Einband
dpunkt, 2013
ISBN: 978-3-86490-031-0
36,90 EUR (Print)
29,99 EUR (E-Book)

Neuere Auflage verfügbar!
Die Bücher, die Torsten Andreas Hoffmann über das Fotografieren schreibt, gehören zu den ansprechendsten, die ich kenne. (Ein weiteres findet sich im Abschnitt Schwarzweiss-Fotografie.)
Hoffmann vermittelt kaum Wissen über die reine Technik. Das Verständnis für das technische Beherrschen der Kamera setzt er voraus. Zu den abgedruckten Fotos finden sich in der Regel keinerlei technische Angaben. Das wird von anderen manchmal kritisiert, ist aber meiner Ansicht nach nicht nötig, wenn es darum geht, hinter das rein Technische zu blicken. Dort geht es darum, die eigene Motivation zu ergründen; die Kreativität anzuregen; einen Blick, ein Gefühl für das gute Foto zu entwickeln; es so zu gestalten, dass es beim Betrachter etwas auslöst.
Das alles ist angenehm und fließend lesbar, immer wieder durch kleine Geschichten aufgelockert und mit ein wenig Hintergrundwissen über die gezeigten Lokalitäten garniert.
Weil ich selbst seit vielen Jahren Taijiquan betreibe, fühlte ich mich besonders vom Buch Fotografie als Meditation angesprochen. Hoffmann nähert sich der Meditation zwar über den Zen-Buddhismus an, aber auch im Yoga oder in den asiatischen Kampfkünsten (äußeren, wie Judo oder Karate oder inneren, wie eben dem Taijiquan) werden meditative Praktiken ausgeübt. Die Standmeditation des Chen-Taijiquan sowie spezielle weitere Übungen bieten mir als Fotografen neben dem rein Meditativen einen weiteren Vorteil: Sie trainieren eine ruhige Hand und einen sehr festen Stand. Beides zusammen versetzt mich in die Lage, mit deutlich längeren Belichtungszeiten aus der Hand heraus zu fotografieren – oder beim Video-Dreh weniger wackelnde Sequenzen, selbst aus der Bewegung heraus, zu produzieren.
Der wichtigste Aspekt ist jedoch, den Kopf frei zu bekommen; alle überflüssigen Gedanken loszuwerden; im Hier und Jetzt anzukommen und darin eins zu werden mit der Kamera und der Umgebung. Das schärft nicht nur die eigene Wahrnehmung, man wird auch von der Umgebung anders wahrgenommen – weniger störend.
Beide Bücher – ganz besonders aber Fotografie als Meditation – halfen mir sehr, in meiner Entwicklung als Fotograf auch nach mehr als 40 Jahren noch weiterzukommen, mehr als manche normale Fotoschule.



Psychologie der Fotografie: Kopf oder Bauch?
Über die Kunst, Menschen zu fotografieren
Sven Barnow
144 Seiten
dpunkt, 2015
ISBN: 978-3-86490-270-3
22,90 EUR (Print)
17,90 EUR (E-Book)

Dieses Buch ist ein echter Glücksgriff, von einem Psychologie-Professor geschrieben, der nebenbei fotografiert. (Oder vielleicht auch umgekehrt?) Aus der Kombination beider Kompetenzen entstand ein Buch über die Portrait-Fotografie, das frei von Anleitungen und Set-Aufbauten ist: Es geht um die Beziehung zwischen Fotograf und fotografiertem Mensch.
Und natürlich darum, wie man diese Beziehung so aufbaut, dass ausdrucksstarke, authentische Portraits daraus resultieren. Psychologisches Fachchinesisch bleibt außen vor, das Buch liest sich wie ein Roman. Zwei interessante Interviews lockern das Ganze weiter auf.
Eine unbedingte Empfehlung für alle, die gerne Menschen fotografieren – aber auch alle „auf der anderen Seite“ der Kamera, also diejenigen, die sich fotografieren lassen möchten!
 
11.08.2016

Kontakt: E-Mail an mediendesign [ät] posteo [Punkt] de
Diese Webseite ist werbefrei und enthält keinerlei Affiliate-Links.
Der Bildnachweis befindet sich im Impresssum!

Unabhängigkeit    |    Datenschutz    |    Impressum
©  2019–2023 Ulrich Böhmke, soweit nicht anders angegeben

Zurück zum Seiteninhalt